Montag, 12. Dezember 2011

Heimatkunde 2012 Vorschau: Das Ende einer kulturellen Plattform

David Kunz

Das Bild ist irgendwie symptomatisch. Im KKL zu Luzern ist an jenem Freitag­ abend wieder einmal ein Konzert zu Ende. Männer mit glänzenden Schuhen und Frauen in feinem Tuch schlendern an die frische Luft, im Ohr die letzten Töne des rumänischen Pianisten Radu Lupu. Jost Küng, 69, setzt sich an die Bar. Der pensionierte Landarzt erzählt in der Leuchtenstadt vom Ende des Kul­turForums Rottal. Küng war bis 2006 der «Herr Doktor» in Grossdietwil und in den letzten vierzehn Jahren Obmann des KulturForums Rottal. Ende Jahr zo­gen Küng und fünf weitere Mitglieder einen Schlussstrich unter die 45­jährige Geschichte der Institution, die zuletzt ein Gospelkonzert, eine Konzertreihe zu Ehren des Künstlers Hans Roelli und eine Ausstellung mit Werken zweier einheimischer Malerinnen organisiert hatte.
Dank dem Forum war über die Jahr­ zehnte allerlei Kultur in die Gemeinden Grossdietwil, Altbüron und Fischbach gesickert. Für das Aus nennt Küng zwei Hauptgründe. Es wurde immer schwie­riger, Leute zu finden, die sich im Fo­rum engagieren wollten, und die Reso­ nanz beim Publikum blieb zusehends unter den Erwartungen der Organisato­ren. «Wir haben etwas aufgegeben, von dem wir denken, dass es keine Zukunft hat», sagt Küng. Zusammen mit Susan­ ne Scherpel­Jütte, Heidi Meier Huber, Ruedi Scheidegger, Ursula Fischer und Josef Imbach entschied er sich Ende 2010, die lose Gruppierung ganz auf­ zulösen.
Noch vor wenigen Jahren hing der Himmel über dem Rottal zwar nicht voller Geigen, doch die Kulturwelt sah etwas anders aus.
Es ist 2006, das KulturForum Rottal feiert sein 40­jähriges Bestehen. Eine Festschrift geht in Druck, knapp zwei Dutzend Seiten, auf denen Vergangen­ heit, Gegenwart und Zukunft des Fo­ rums beleuchtet werden und der Blick hoffnungsvoll nach vorne geht. Nur zwei Jahre zuvor hatten die Mitglieder die Institution nämlich vom verstaubt anmutenden Namen «Bildungszirkel» befreit und sie in eben jenes KulturFo­rum Rottal umgetauft – als welches sie wenig später von der Kulturlandschaft verschwinden sollte. Die Umtaufe nö­ tig gemacht hatte eine Ausweitung des Programms, mit dem man weitere Krei­ se ansprechen wollte, denn der Kon­ kurrenzkampf um Publikum war längst lanciert.

Das sah früher noch anders aus, im Jahre 1966

Der Hunger nach Wissen und Unterhal­ tung wächst, die ersten Menschen sind im All, und das Fernsehen ist eben erst gerade eingeführt. Josef Bucher, Louis Henseler, Franz Koller, Josef Lingg, Sieg­ fried Meyer und Josef Steinmann rufen den Bildungszirkel ins Leben. Mit Kino­ vorführungen vertreiben sie den Rot­talern im Winter die Zeit. «Chinas Weg zur Weltmacht» oder «Finnland, Land der Wälder» heissen die Streifen, der Pro­ jektor aus dem Schulhaus, die Filme aus Bern, das nächste Kino weiss Gott wo. Auch Vorträge organisieren die umtrie­ bigen Gründer. Zum Frauenstimmrecht etwa, zur Schweiz und der EG referiert Viktor Peter, zur biologischen Schäd­ lingsbekämpfung Martin Andermatt, zum Entstehen einer Zeitung Joe Zihl­ mann und über Moskau Zita Affentran­ ger. Kurse gibt’s zu Bauernmalerei und Mengenlehre, und erste klassische Kon­ zerte in der Kappelle Altbüron kommen trotz anfänglicher Skepsis gut an.

Bettagskonzert 1978