Donnerstag, 10. Mai 2012

Geschichtliches Gemeinde-Portrait von Ettiswil

Polit. Gem. LU, Amt Willisau. Südlich des ehem. Seegebiets Wauwilermoos gelegen. Evtl. schon im Zeitraum 1070-90 erw., zwischen 1217 und 1222 Ettiswile. Um 1695 (ohne Berghöfe) ca. 450 Einw.; 1798 622; 1850 1'015; 1900 707; 1950 920; 1970 1'062; 1990 1'509; 2000 1'735. Um 1070/90 vergabte Frh. Seliger von Wolhusen dem Kloster Einsiedeln Besitz zu E., wozu vermutlich auch der Kirchensatz mit dem Meierhof und die Mühle gehörte (1350 inkorporiert; 1963 von der Kirchgemeinde erworben). Die Dotation der Pfarrkirche und das Dorf E. gehörten dem Twingherrn. Das waren bis 1305 die Frh. von Wediswil, die hier, wohl als Erben der Wolhusen, einen Herrschaftsschwerpunkt besassen, 1305-26 das Kloster St. Urban, danach die Herren von Winterberg, welche E. vor 1367 den Herren von Luternau überliessen. Der Einsiedler Meierhof wurde von den Habsburgern als klösterl. Kastvögten (ab 1285) den Herren von Trostberg, ab 1357 den Herren von Luternau verliehen. Diese vereinten Twing und Meierhof E. nach 1367 mit ihrer Herrschaft Kasteln. Als Mitgift kam die Hälfte der Twingrechte in E. 1385 an die Businger. Danach teilten sich die Herren von Kasteln und Wyher die Twingherrschaft; 1664 erwarben die Pfyffer von Wyher die Kasteler Hälfte. Bis zur Helvetik gehörte E. hochgerichtlich zum Amt Willisau, twinggerichtlich zur Herrschaft Kasteln. 1803 kam es zum Distrikt Willisau. 1803-14 war E. Hauptort eines Gemeindegerichtsbezirks, danach Teil des Bezirksgerichts Willisau.

Die Pfarrei E. umfasste auch die Dörfer Alberswil mit Kasteln, Burgrain, Gettnau (Letzteres ab 1939 selbstständige Pfarrei), Ohmstal, Briseck; in der Pfarrei Altishofen versah E. offenbar im SpätMA die Kapelle Dagmersellen und betreute Schötz. 1807/08 wurde der Pfarrei E. Schötz (ab 1866 selbstständig) zugeteilt, ebenso Zuswil, Kottwil, Seewagen. 1967 liessen sich Missionsbenediktinerinnen von Tutzing (Bayern) in der Gemeinde nieder. 1970-96 war E. Sitz der Synodalverwaltung der kath. Landeskirche Luzern. Die Maria und Stefan geweihte Pfarrkirche erhielt um 1650 einen neuen Chor und wurde 1769-71 als bedeutender Barockbau erneuert. Nach einem Wunderereignis um einen Hostienraub (1447) wurde mit Unterstützung Luzerns 1450-52 die Sakramentskapelle errichtet und mit einem Legendenzyklus ausgemalt. Gleichzeitig entstand eine Wallfahrt von eidg. Bedeutung. 1457 überliess Einsiedeln die Kapellenkollatur Luzern; die Pflegschaft nahmen Räte von Willisau wahr.

In E. wird schon 1262 eine Herberge, 1286 eine Mühle erwähnt. Vor 1326 wurde E. Marktort, mit vier Jahrmärkten im 18. Jh. Die Landwirtschaft war in Form des Dreizelgensystems organisiert. Seit der Landwirtschaftskrise der 1870er und 80er Jahre dominieren Milch- und Viehwirtschaft, Schweinezucht und Obstbau. 1827 wurde eine Flechtschule für Kinder eröffnet, um 1825-28 realisierte der Arzt Peter Richli eine Taubstummenanstalt. In der 2. Hälfte des 20. Jh. etablierten sich einige industrielle Produktionsbetriebe. Dank immer noch starkem Primärsektor (2000 43 Landwirtschaftsbetriebe) ist die Beschäftigungsstruktur relativ ausgeglichen. Der 1. Sektor stellte 2000 rund ein Achtel, der 2. etwas mehr als ein Viertel, der 3. fast die Hälfte der Arbeitsplätze in E. Seit 1980 steht der Ortskern unter Schutz.

Das südlich von E. gelegene Schloss Wyher, ein Einsiedler Lehen, wurde 1304 als Sitz der Frh. von Wediswil erstmals erwähnt (zem Wiger, später Wyherhaus: das Schloss war von einem Teich umgeben). Es kam vor 1340 an die Herren von Luternau, 1385 an die Businger, 1455 an die Bircher, gegen Ende des 15. Jh. an die Feer, Herren von Kasteln. Petermann Feer baute es um 1510 zum spätgot. Landschloss aus. Nachdem es 1588 von Ludwig Pfyffer von Altishofen erworben worden war, wurde es zum Stammsitz der Linie Pfyffer von Wyher. 1837-1964 befand sich das Schloss im Besitz der Bauernfamilie Hüsler. Nach einem Brand übernahm es 1964 der Kanton. 1981-83 Aussen-, 1992-96 Innenrenovation und Wiederherstellung des Wassergrabens. Seit 1996 befindet sich im Nebengebäude des Schlosses die Sammlung Josef Zihlmann, welche hauptsächlich religiöse Volkskunst aus dem Kt. Luzern umfasst.

Literatur
– Kdm LU 5, 1959, 64-98
– F. Glauser, «Über Luzerns Beziehungen zur Ettiswiler Sakramentskapelle 1450-1456», in Heimatkunde des Wiggertales 32, 1974, 55-62
– F. Glauser, J.J. Siegrist, Die Luzerner Pfarreien und Landvogteien, 1977
– A. Bickel, Willisau, 2 Bde., 1982
– B. Bieri, A. Häfliger, Schloss Wyher, 2001

Autorin/Autor: Waltraud Hörsch

Quelle: Historisches Lexikon der Schweiz